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Im September 2012 erschien im Lau-Verlag Dana Horákovás neues Buch „Wie erkläre ich meinem Hund, dass er kein Mensch ist?“ Darin schildert sie, wie ein kleiner, weißer Schnauzer ihr Post-Karriere-Leben erst auf den Kopf und später wieder auf solide Beine stellt.
Dissidentin, Autorin, Journalistin, Kultursenatorin – Dr.Dana Horáková (* 1947 im Vogtland) kann auf eine recht bewegte Vergangenheit zurückblicken. Sie studierte Philosophie an der Karlsuniversität und Theologie in New York. In Prag führte sie ein offenes Haus für oppositionelle Künstler, Literaten, Filmemacher und Theologen. Gemeinsam mit Václav Havel war sie Herausgeberin des Samisgat-Verlages „Edice Expedice“, wurde zur „Staatsfeindin“ erklärt und musste 1979 die damalige Tschechoslowakei verlassen. Später in Deutschland leitete sie das Kulturressort der Bunten, der Bild am Sonntag und war stellvertretenden Chefredakteurin der Welt am Sonntag. 2002 bis 2004 bekleidete sie das Amt der Kultursenatorin in Hamburg.
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Wie angekündigt, war sie bereit, doctor-speed ein paar Fragen zu beantworten:
doctor-speed: Frau Horáková, an wen wenden Sie sich in Ihrem Buch. Welche Sorte Mensch stellen sie sich als ihre Zielgruppe vor?
Dana Horáková: Eigentlich alle, die in ihre Hunde genau so hemmungslos verknallt sind wie ich in meinen, oder auch jene, die Hunde mögen und erstrahlen, sobald ihnen ein Vierbeiner in die Augen schaut. Aber auch den einen oder anderen Oldie, dem das Älterwerden gelegentlich Kopfzerbrechen bereitet. Für mich ist Dany das beste Anti-Aging-Mittel aller Zeiten!
doctor-speed: Warum haben Sie sich ausgerechnet einen Zwergschnauzer ausgesucht? Seine allgemeine Charakterbeschreibung deckt sich nur schlecht mit Ihrem demokratischen Verständnis:
Dana Horáková: Nachdem ich beschlossen hatte – und für diese Entscheidung brauchte ich beinahe zwei Jahre, es ist schließlich mein erster Hund-, mein Häuschen und mein Leben mit Dany zu teilen, habe ich, um ehrlich zu sein, weder Hundelexika durchwälzt, noch mich mit Hundeprofilen auseinander gesetzt. Mir war klar, dass ich, erstens, einen weißen Hund möchte, da Weiß meine Leib-Farbe ist: Sie harmoniert ja mit allen anderen und steht, je nach Kulturkreis, für beides: für höchste Freude sowie tiefste Trauer. In meinem Garten blüht es das ganze Jahr hindurch weiß, ich habe einen weißen Zaun, weiße Teppiche, weißen Thonet-Schaukelstuhl usw.
Auch die Tatsache, dass er ein Schnauzer sein sollte, war mehr oder weniger gegeben. Denn damals im sozialistischen Prag, hatten nicht nur mein künftiger Mann, sondern auch der künftige Staatspräsident Václav Havel einen Schnauzer. Václav, ein passionierter Hobbykoch mit Schwäche für Experimente, beschloss eines Tages, dass er eine Taube in einem Huhn und dieses Huhn in einer Gans braten wird. Als dann die Kreation zum Auskühlen vor dem offenen Ofen lag, und wir uns im Wohnzimmer bereits ein Gläschen Wein gönnten, schlichen sich die beiden Hunde in die Küche, zogen, mäuschenstill und in vorbildlicher Zusammenarbeit, die Taube aus dem Huhn und das Huhn aus der Gans – und verspeisten es.
Für uns blieben Würstchen aus der Dose übrig. Und die Moral die Geschicht´? Mir imponierte der eigenwillige, verspielte Sinn der beiden Hunde für dramatische Überraschungen, ja vielleicht sogar ihr Sinn für Humor und natürlich: ihre Menschenkenntnis. Also sollte auch mein Hund ein Schnauzer werden.
Und dass sich ein Schnauzer „häufig respektlos“ zeigt? Nun, Dany hat natürlich eine solide Kinderstube und ich würde nicht zögern, ihn mit in die Oper zu nehmen. Zugleich bin ich stets erquickt, wenn er ab und zu das Trotzköpfchen gibt. Ich genieße seine kleinen Spielchen mit mir, z.B. wenn er abends noch nicht nach Hause will, frei nach dem Motto: Ich bin doch kein Welpe mehr, ich muss nicht so früh ins Bett! Er spürt sehr wohl, dass mein „Komm jetzt, sofort!“ nicht ganz ernst gemeint ist (obwohl ich sehr düster blicke und dies mit möglichst tiefer Stimme befehle), und nutzt es auch. Doch sobald er merkt, dass ich mein „Schluss jetzt!“ wirklich ernst gemeint ist, folgt er, sofort. Ich fürchte, ich würde mich mit einem perfekt dressierten Tier, also quasi mit einer „Maschine“, zu Tode langweilen.
doctor-speed: Dany ist ein weiser Hund. Sie diskutieren mit ihm z.B. über Politik, Religion, Kunst oder Liebesfragen. Möchten Sie ihren Lesern eine Lektion – im positiven Sinne – erteilen?
Dana Horáková: Um Gotteswillen, keine Lektion! Nicht einmal eine Predigt, ganz im Gegenteil! Wenn ich mich mit einem Thema auseinandersetze, dann hoffentlich kurzweilig, und wenn ich ein Paar Informationen aufzähle, dann hoffentlich unterhaltsam.
Ich hatte schon als Journalistin echte Panik davor, meine Leser zu langweilen, und als Senatorin habe ich die vorgefertigten, steifen Ansprachen in der Schublade „vergessen“ und meine Reden selbst geschrieben. Meine Gespräche mit Dany sind eher als eine Art „Selbsterforschung“ gedacht. Ich habe mich z.B. früher kaum mit dem Tod und der Einsamkeit, mit Altern oder der Auswirkung der Medien auf unser Weltbild und unsere Daseinszustand, ja, nicht einmal mit den Ängsten oder Sehnsüchten meiner Eltern oder Freunde usw. beschäftigt – beschäftigen wollen. Dank Dany bin ich wesentlich unaufgeregter im Umgang mit existentiellen Fragen. Und Spaß macht es auch noch.
doctor-speed: Ihre Vergangenheit als Journalistin und Politikerin und die langsame Lösung von eben jener ist ganz offenbar der rote Faden Ihres Buches. Haben Sie sich in der Rolle der, wie Sie es nennen, Powerfrau gefallen?
Dana Horáková: Ich wüsste nicht, wie das gehen soll: „mir selbst zu gefallen“. Tatsache allerdings ist, dass ich mich – wie jeder Workaholiker! – in die, mit meinen Jobs zusammenhängenden Aufgaben hineingekniet hatte, schon weil man als Frau eh das Doppelte von dem leisten muss, was ein Mann benötigt, um in gleicher Position zu bestehen. Und weil ich das große Glück hatte, mich stets mit Kultur beschäftigen zu können. Mal musste ich darüber berichten, mal den Hamburgs Kulturetat verwalten. Kultur war ja bereits in Prag mein Herzblut-Anliegen, da ich zu jenem Kreis der Kulturschaffenden um Vaclav Havel gehörte, für die Kultur mehr war als Freizeitbeschäftigung oder ABM: nämlich eine moralische Macht, die die Mutlosen und die Zermürbten, die Mitläufer wachrütteln und die Grenzen des totalitären Regimes letztendlich sprengten konnten.
Eines noch: Eigentlich brauchte ich keine Ellbogen, um „Powerfrau“ zu werden, da ich mich nie um etwas beworben hatte. Meine Jobs wurden stets an mich herangetragen, was, rückblickend, meinen Glauben daran bestätigt, dass wir zwar Protagonisten unseres Lebens, aber keineswegs die Herren des Universums sind.
Außerdem glaube ich an die ausgleichende Gerechtigkeit. Es war nicht immer einfach, dem Neid und dem Hass, den Verdächtigungen und den Verleumdungen, die meine Jobs unausweichlich generierten, die Stirn zu bieten bzw. sie zu ertragen. Aber ich nahm sie mehr oder weniger gelassen – mein Philosophie-Professor war überzeugt, aus Mangel an Überlebenstrieb – hin. Ich war z.B. nicht einmal im Stande, den Spitzel (der mich in Prag der Stasi verraten hatte), oder einen Stalker (an meinem jetzigen Wohnort) zu hassen oder anzuzeigen. Vermutlich aus Selbstschutz: ich bin überzeugt, dass die Auge-um-Auge-Haltung lediglich mich selbst vergiften, schwächen würde …
Übrigens: Hunde sind auch nicht nachtragend, wenn sie lieben, dann für immer. Und die Bedingungslosigkeit der Hingabe an einen geliebten Menschen hat, meines Wissens, keiner perfekter beschrieben als Marie von Ebner-Eschenbach in ihren Novelle „Krambambuli“. Wäre ein Mensch dazu imstande, wäre er ein Heiliger.
doctor-speed: An der Hundeerziehung an sich scheiden sich die Geister. Leben Sie nach wie vor das Kumpel-Prinzip?
Dana Horáková: Ja.
doctor-speed: Die Würde des Tieres ist ein hohes Gut. An welchem Punkt, glauben Sie, ist die Grenze zur Vermenschlichung überschritten.
Dana Horáková: Schwere Frage, Gretchenfrage. Spontan würde ich sagen: diese Grenze wird dort überschritten, wo der Hund zum Ersatz wird. Sei´s für ein Kind, einen (Lebensphase-)Partner, einen Job, eine Illusion, einen Therapeuten, der unsere Ängste vor Tod, Einsamkeit und Sinnlosigkeit mildern soll.
In Tolstois „Krieg und Frieden“ (sowie in der US-Verfilmung dieses famosen Schlüsselromans, der u.a. das Aufeinandertreffen von Napoleons post-revolutionären Frankreich und dem zaristischen Russland thematisiert) treffen in einem Moskauer Gefängnis ein Bettler und der Fürst Pierre Besuchow aufeinander. Beide hungern. Der Bettler bricht sein letztes Stückchen Brot in drei Teile: für Pierre, sich selbst und seinen Hund.
Hätte er das Brot lediglich zweiteilen sollen, damit die beiden Menschen einen Biss mehr bekämen? Wieso behandelte der Mann in schäbigen Kleiderfetzen seinen Hund wie einen feinen Mitmenschen? Nein, nicht aus Berechnung oder Hoffnung auf eine fette Belohnung, denn sie beiden sollen schon bald vor ein Hinrichtungskommando treten … Später, auf dem Fußmarsch in die französische Gefangenschaft, stampfen die beiden durch den tiefen Schnee der vereisten Weiten von Russland. Der Bettler trägt seinen völlig entkräfteten Hund, stolpert, fällt, schafft er nicht mehr, aufzustehen, wird von einem Soldaten erschossen. Pierre, obwohl am Ende seiner Kräfte angelangt, hebt das nun herrenlosen Tier, und trägt es weiter.
Weder der Bettler, noch der Fürst, hatten den Vierbeiner vermenschlicht. Aber ich denke, in dieser hoffnungslosen, ja „unmenschlichen“ Lage rettete ausgerechnet die Sorge um den Hund die Menschenwürde der beiden Männer.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und vielen Dank!
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„Wie erkläre ich meinem Hund, dass er kein Mensch ist?„ von Dana Horáková, EURO 14,95 [D] / 15,40 [A], Hardcover, 240 Seiten, mit Illustrationen von Steffen Faust
Lau Verlag Oktober 2012 ISBN 978-3-941400-42-9
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