Fotografie

Leben im Lockdown – Hava braucht kein Make-Up

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7:00 Uhr – Die Runde mit Mono und Hubi ist schön aber ungewöhnlich kalt. Die Jungs wollen nach Hause, futtern und dann auf ihren Platz in der Sonne.

8:00 Uhr – Mir juckt es in den Fingern. Ich muss etwas tun. Nicht zu Hause. Hier gibt es genug zu werkeln. Ich muss raus. Ich muss gucken, was dieses scheiß Corona Virus mit den Menschen macht, die im Lockdown noch arbeiten.

Leben im Lockdown - Donia, 34, arbeitet in einer großen Drogerie
Leben im Lockdown – Donia, 34, arbeitet in einer großen Drogerie.

Social Distancing in der Praxis

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9:30 Uhr – Das Versammlungsverbot – nur zwei Menschen miteinander – zeigt Wirkung. Die, die sich überhaupt hinaus trauen, halten Abstand. Alle Geschäfte, die noch geöffnet sind, lassen ja nach Größe nur eine Hand voll Kunden hinein. Warteschlangen überall.

9:40 Uhr – Meine Lieblingsdrogerie gewährt mir Einlass. Ich kenne die meisten Verkäuferinnen, habe also nur eine ganz kleine Hemmschwelle zu überwinden. Während sie Regale packen, lassen sie sich gerne von mir fotografieren.

Leben im Lockdown - Das Vermummungsverbot ist inoffiziell aufgehoben.
Leben im Lockdown – Das Vermummungsverbot ist inoffiziell aufgehoben.

Das Vermummungsverbot ist inoffiziell aufgehoben

9:50 Uhr – Der Herr in der Wurstbude nebenan beäugt mich misstrauisch. Nein, baffte er, er wolle nicht fotografiert werden! Welche Gründe er auch immer hat, ich muss sie respektieren. Manch anderer hingegen scheint gar nicht so traurig zu sein, dass das Vermummungsverbot in diesen Tagen inoffiziell aufgehoben ist. So ein Mundschutz sieht ja auch irgendwie martialisch aus.

10:10 Uhr – Gegenüber führt Hava einen kleinen Imbiss. Sie hat nichts gegen Fotos, will aber erst Make-Up auflegen. Ich sage ihr, dass sie ganz sicher kein Make-Up braucht, um hübsch zu sein. In den letzten Monaten bin ich bestimmt hundert Mal an ihr vorbei gelaufen. Nie habe ich etwas gekauft. Jetzt weiß ich, wie sie heißt und werde demnächst ganz sicher mal Hallo sagen. Das Foto von ihr mag ich besonders gern.

Leben im Lockdown - VHava, 30, wollte erst noch Make Up auflegen. Ich habe ihr gesagt, dass sie keins braucht, um hübsch auszusehen. Hava hat einen kleinen Imbiss in der Fußgängerzone.
Hava, 30, wollte erst noch Make Up auflegen. Ich habe ihr gesagt, dass sie keins braucht, um hübsch auszusehen. Hava hat einen kleinen Imbiss in der Fußgängerzone.
Leben im Lockdown - In diesen Tagen sind die Bettler wohl die letzten, die beachtet werden.
Leben im Lockdown – In diesen Tagen sind die Bettler wohl die letzten, die beachtet werden.

Willie und das Hacksteak

11:00 Uhr – Willie ist ein Strahlebold. Er ist immer lustig, immer fröhlich, immer freundlich. Er ist die gute Seele der Fleischerei um die Ecke. Natürlich lässt er sich fotografieren, macht Spökes und erzählt Geschichten. Ich bin hingerissen, wie rührend er sich um alte Herrschaften kümmert, die nicht mehr ganz so fix unterwegs sind.

Willi, 54, ist die gute Seele der Fleischerei um die Ecke.
Leben im Lockdown – Willie, 54, ist die gute Seele der Fleischerei um die Ecke. Seine Fröhlichkeit steckt jeden. an.

Nach den Weihnachtstagen, als Mono und Hubi so furchtbar krank waren, hat mir sein Chef Dirk außer der Reihe Knochen für eine Suppe verkauft. Eine Mitarbeiterin hiefte mir zweieinhalb Kilo über die Theke und giggelte: Jetzt haben sie eine Waffe! Stimmt. Man stelle sich vor, ich haute jemandem einen Sack tiefgefrorene Rinderknochen um die Ohren.

Leben im Lockdown - Willis Chef Dirk, 48 Jahre alt. Er leitet die Fleischerei. Mitglieder seiner Familie kante ich schon als Teenie.
Willis Chef Dirk, 48 Jahre alt. Er leitet die Fleischerei.

Leben im Lockdown – Der Ernst der Lage

11:35 Uhr – An allen Apotheken stehen Menschen Schlange. Einer nach dem anderen wird hinein gelassen, so dass sich keine Trauben vor den Kassen bilden können. Ennur, 22, schaut mich durch eine von der Decke abgehängte Plexiglasscheibe an. Ich frage sie, ob ich ein Foto machen darf. Sie ist höflich aber sehr ernst. Die meisten Kunden werden ihren Stress wohl nur schwer nachvollziehen können, doch die Statistiken sind in der Tat beängstigend.

Leben im Lockdown - Ennur, 22, arbeitet in einer Apotheke. Ein Mundschutz und eine Plexiglasscheibe an der Kasse schützten sie vor einer möglichen Ansteckung.
Ennur, 22, arbeitet in einer Apotheke. Ein Mundschutz und eine Plexiglasscheibe an der Kasse schützten sie vor einer möglichen Ansteckung. Sie ist höflich aber sehr ernst.

11:45 Uhr – Auf dem Weg nach Hause komme ich an unserem hiesigen Aldi vorbei. Dort darf ich keine Fotos ohne das Einverständnis des Geschäftsführers machen. Da der aber leider gerade in einer Videokonferenz sitzt, gehe ich wieder. Vor der Tür treffe ich einen kleinen Terriermix, der elendig jammernd auf seinen Menschen wartet. Nein, ich werde nicht wieder wütend. An diesem Thema habe ich mich schon genug abgearbeitet.

Angebunden vor einem Aldi Markt.
Angebunden vor einem Aldi Markt.

12:03 Uhr – Es ist wirklich 12:03 Uhr als Mauro und Francesco mir zuwinken. Sie führen das Restaurant Trulli, das seit unserem Umzug nur ein paar Meter von unserer Haustür entfernt liegt. Mauro, den Geschäftsführer, kenne ich locker dreißig Jahre. Seinen Sohn Francesco habe ich aufwachsen sehen. Ihr Laden brummt. An einem Freitag Abend bekommt man ohne Reservierung keinen Tisch. Unter der Woche ist das manchmal auch nicht ganz leicht und an Feiertagen stehen die Gäste draußen oder an der Bar Schlange.

Mauro treffe ich fast jeden Morgen. Ich gehe mit den Hunden, er kommt vom Großmarkt. Er und sein Sohn Francesco führen das Restaurant Trulli, das nur ein paar Meter von unserer Haustür entfernt liegt.
Mauro treffe ich fast jeden Morgen. Ich gehe mit den Hunden, er kommt vom Großmarkt. Er und sein Sohn Francesco führen das Restaurant Trulli, das nur ein paar Meter von unserer Haustür entfernt liegt.

Am Freitag musste Mauro schließen. Einen Lieferservice hatte er noch nie, doch jetzt muss er umswitschen. Er hofft, dass seine treuen Gäste auf seine Gerichte nicht verzichten wollen und sie sich an die Tür liefern lassen. Irgendwie kommen sie über die Runden, sagen sie, doch die Sorge ist auch ihnen anzusehen.

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16:30 Uhr – Mein Sohn geht freiwillig mit Mono, Hubi und mir im Park spazieren. Das hatten wir lange nicht.

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Freie Autorin mit einem starken Hang zur Fotografie

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