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… auf den Aufsatz von Ludwig Küper zurückkommen. Barbara Thiel hat die Krux der Abhandlung schon bestens zusammengefasst, doch mir gehen noch ein paar weitere Fragen durch den Kopf. Ich fange aber mal anders herum an.
Herr Küper betont, dass seine Ausführungen für alle Hunderassen gelten, bezieht sich allerdings auf seinen Erfahrungsschatz aus der Windhundszene. Da diese Bezüge nicht wegzudiskutieren sind, aber auch keinesfalls allgemeingültig sein können, legt er eine inhaltliche Schlinderbahn. Denn ein Rennwhippet, also nach Küper ein ehrgeizig Ersatzbeschäftiger, ist mit einem jagdlich geführten Dackel nicht zu vergleichen. Wie stark sich Show- und Arbeitsdackel anatomisch voneinander unterscheiden, kann ich nicht beurteilen. Doch u.A. am Beispiel der Whippets bzw. des Afghanen die Entwicklung von nützlich zu nutzlos zu dokumentieren, schiebt den Nicht-Windhund-Menschen auf die oben erwähnte Schlinderbahn und den Windhund-Menschen in die Grübelecke. Denn die polarisierende Trennung zwischen Rennen und Show lässt einen sehr großen Teil der durchaus – in Herrn Küpers Sinne – nützlichen Windhunde (hier Whippets) ganz nonchalant unter den Tisch fallen.
Hundeausstellungen und Hintergründe, Ludwig Küper, S.7: Auf Coursings gehe ich nicht näher ein, weil das eine eigene ausführliche Diskussion Wert ist.
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Plumps! Warum? Der Ausstellungszirkus hat vielleicht einen kleinen Teil, aber ganz bestimmt nicht die Masse der Whippets zu Zirkuspferdchen mutieren lassen. Doch die ganz normalen, die nach dem Standard korrekt gewinkelten Whippet-Whippets, die vielleicht gerne und gut coursen, die ihren täglichen Freilauf verletzungsfrei überstehen, die trotz ihrer Showerfolge hasenscharfen Biester werfen Herrn Küpers Theorien komplett über den Haufen. Denn sie können. Und das beweisen sie eindrucksvoll, selbst wenn sie nicht regelmäßig in anspruchsvollen Wettbewerben laufen. Davon werden sehr viel Whippethalter ein inoffizielles, wenn auch klagendes Lied singen können.
In diesem Zusammenhang fällt eines von Herrn Küpers Kernargumenten bei genauerem Hinsehen in ein tiefes Loch.
ebd.: Als Beschreibung einer Form zur Erfüllung einer ganz bestimmten Funktion hat der Standard in mancher Hinsicht ausgedient. So ist es zum Beispiel völlig unsinnig, darauf zu beharren, dass Whippets vor langer Zeit und ursprünglich als Kaninchenjäger Verwendung fanden. Die Hetzjagd ist hierzulande seit gut 200 Jahren verboten.
In Großbritannien – dem europäischen Mutterland des Whippets – ist die Hetzjagd auf Kaninchen auf privatem Gelände nach wie vor erlaubt. Und jetzt? Sollen wir in der Konsequenz den britischen vom kontinentaleuropäischen Whippet abspalten? Wohl nicht. Das Gros der heute gezüchteten Whippets kann seinen ursprünglich ersonnenen Zweck/Nutzen durchaus erfüllen. Die Tatsache, dass sie das in „unseren Breiten“ nicht mehr dürfen, ändert daran erstmal nichts.
So wie ein Hütehund hütet, ein Wachhund wacht, ein Schutzhund schützt, ein Begleithund begleitet und ein Schoßhund .. Ja was tut der eigentlich. Er ist einfach da. Seit Jahrhunderten. Sein einziger Nutzen ist und war es, da zu sein, den edlen Damen Gesellschaft zu leisten, während die noch edleren Herren mit Wolf-, Fox- oder Deerhound die Wälder leer jagden. Macht ihn das überflüssig? Nutzlos?
Menschen haben sich schon immer mit im engeren Sinne nutzlosen Tieren umgeben und geschmückt. Dächte man Herrn Küpers Gedanken weiter, so wäre jedes Zier-Getier überflüssig. Rennpferde z.B, denn auf Pferde als zuverlässiges, schnelles Transportmittel sind wir schon lange nicht mehr angewiesen. Oder wird man sie analog zu den Rennwhippets als ersatzbeschäftigt einordnen müssen? Goldhamster! Was tun die? Nix! Singvögel? Total über.
Dächte man Herrn Küpers Gedanken weiter, so müsste in Zukunft also die Whippet-Population der Welt aus Rennern bestehen. Die hochspezialisierten Sprinter täten nichts anderes, als links herum im Kreis zu laufen. Sie liefen Fabelzeiten, aber würden sie einen Waldspaziergang unverletzt überstehen? Schließlich wären sie nicht dafür gezüchtet, durch unwegsamens Gelände zu laufen. Der Gewinn an Schnelligkeit ginge einher mit dem Verlust der Alltagstauglichkeit. Ist das ein Ziel, das man guten Gewissens verfolgen darf?
ebd: Erfolgreiche Rennwhippets haben mittlerweile einen etwas längeren Rücken und eine etwas steilere Winkelung der Hinterhand als solche, deren Züchter behaupten, ihre Hunde wären ganz bestimmt sehr gute Jagdhunde im Sinne des Rassestandards, wenn sie es denn sein dürften. Obwohl also jede praktische Kontrolle darüber fehlt, ob sie tatsächlich gute Jagdhunde wären, wird weiterhin wegen der Beurteilungen durch Richter so getan, als ob diese Kontrolle durch die Richter gegeben wäre. Im Ergebnis sind die weitaus meisten erfolgreichen Showwhippets nicht in der Lage, bei Rennen auch nur ansatzweise mitzuhalten, wenn man sie denn überhaupt teilnehmen lässt. Ihre Anatomie lässt es einfach nicht zu. (Bei Coursings sieht das anders aus. Aber das ist – wie bereits erwähnt – ein eigenes Thema.) […]
und weiter:
[…] Ein Beharren auf der Zucht von Whippets als imaginäre Kaninchenjäger im Sinne des Standards führt dazu, dass Hunde für eine Arbeit gezüchtet werden, die sie nicht ausführen dürfen, und auf der anderen Seite eine Arbeit, die man ihnen als Ersatz anbieten kann, nicht erfolgreich ausführen können.
Einzig auf der Rennbahn findet der Whippet seine Erfüllung. Auf die Idee käme der zu diesem Thema unbeschlagene Leser zwangsläufig. Denn Herr Küper bemäntelt seinen Aufsatz zwar formal wissenschaftlich, äußerst sich aber ein Teilen derart tendenziös
S.10: Was immer auch Richter dazu veranlassen mag, diese Tätigkeit auszuüben – in diesem einen Punkt ist der Grund für alle derselbe: Sie wollen die Zucht beeinflussen, also Macht ausüben, auch wenn sie die Interpretation der Einflussnahme als Machtausübung nicht gern hören mögen.
und unsachlich,
S. 18: Zu einem Training auf dem Gelände eines Rennvereins hatte sich ein erfolgreicher Züchter von Showgreyhounds verirrt.
dass von einer objektiven Betrachtung der Problematik keine Rede mehr sein kann. Vielmehr schlägt dem Leser ist eine sehr subjektive Wut entgegen. Insbesondere eine große Wut auf das Ausstellungswesen im Allgemeinen.
S.3: Im Grunde genommen basiert die Rassehundezucht, wie wir sie heute kennen, zu einem guten Teil auf Angeberei.
Das kann durchaus sein. Aber der Rennzirkus ist nur dem Wohle des Hundes und seiner Ersatzbeschäftigung verschrieben? Die Hunde rennen, weil sie wollen oder instinktiv müssen. Die entscheidende hundertstel Sekunde ist ihnen dabei mit Sicherheit vollkommen egal. Ihre Besitzer sind es, die sie von einer Bahn zur anderen schleppen. Nicht die Hunde, sondern ihre Menschen brüsten sich mit ihrer Schnelligkeit, mit dem letzten Derby-Sieg und dem neuesten Bahnrekord. Mein Haus, mein Boot, mein Rennsieger. Die Mitglieder der Rennszene unterscheiden sich durch rein gar nichts von den Ausstellungsteilnehmern. Eitelkeit hüben wie drüben. Sie protzen nur auf einem anderen Gelände.
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Wenn Herrn Küpers Wut irgendwann mal verraucht ist, dann wird er feststellen, dass er mit seiner Sorge um die Gesundheit der Rassehunde durchaus recht hat, doch seinen Ausführungen über die Zucht und Ausstellung von heute im Grunde nutzlosen Arbeitshunden schon auf Seite 3 mindestens ein Standbein entzogen hat.
S. 3: Und Hunde leisten das in anderer Weise Tag für Tag immer noch, sei es als Anlass, sich zum täglichen Spaziergang aufzuraffen, als Kontaktvermittler bei diesen Spaziergängen, als Therapiehunde, als Schutzwall gegen Einsamkeit oder einfach nur als täglicher Begleiter.
Der komplette Text: Hundeausstellungen und Hintergründe von Ludwig Küper, 2012
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3 Comments
Ich habe seit 1968 Whippets (Fleetwing) und 15 Würfe mit reinen englischen Showlinien gezüchtet. Meine drei mit mir lebenden Whippets sind von der Abstammung her Bohem/Starline/Chelsea praktisch reine amerikanische Showhunde. Kürzlich stöberte Judy (Jee Bee’s Dream about you) auf unserer Prärie einen Feldhasen auf. Alle drei Damen starteten durch und nach einer Zigzagjagd in der Prärie und im Wald, alles auf unserem Grund, haben sie den Hasen erwischt, gekillt, ihm den Bauch aufgerissen und die Innereien gefressen. Was sagt man dazu? Dabei war Tessa (Song Sund Blue GoldnTiara) eine säugende Hündin, mit gerade 11 Tage alten Puppies! Auch mit meinen Engländern fanden solche Jagden und Killereien statt. Ich war oft beim Tierarzt mit verkratzen Köpfen. Meiner Ansicht nach ist ein Whippet – ob Renn oder Showabstammung ein guter Hetzer, hélas, wenn man ihn natürlich hält, d.h. auch ohne Leine laufen lässt. Mir tat der liebe Feldhase sehr Leid.
Ich kann hier nur in ganzem Umfang zustimmen. Wer sich regelmäßig auf Ausstellungen bewegt, wird dort sowohl im Ring als auch in den Zelten jede Menge ganz normale Whippets finden, die ein Leben führen, wie Karla Schwede es beschreibt. Und ich muß nicht auf die Rennbahn, um meine Hunde auszulasten, sie rennen bei uns täglich auf 6000 qm und zwar alle und auch fast immer alle zusammen. Keiner hat das Galoppieren verlernt und alle sind wendig und in der Lage, auf dem Punkt zu drehen und Unebenheiten im Gelände zu meistern.
Nur, weil es vor allem bei großen internationalen Ausstellungen Exzesse zu sehen gibt, heißt das nicht, daß damit automatisch jeder Züchter diesen vermeintlichen „Stars“ hinterherhechelt. Wieviele Züchter bewegen sich denn auf diesem internationalen Parkett ? Man kann sie wohl an beiden Händen aufzählen ! Die Mehrheit der Züchter züchtet mit den Hunden, die sie im Inland mehr oder weniger erfolgreich ausstellen und außer Ausstellungen mit ihren Hunden auch sonst Spaß haben.
Mir sind die Praktiken der ehrgeizigen Rennleute zum Glück nicht bekannt und ich kenne es nur vom Hören-Sagen. Doch wenn ich mir vorstelle, dass diese Hunde kaum/keinen Freilauf kennen und an Fahrrad und auf dem Laufband trainiert werden, dann macht mich das traurig. Ich hingegen sehe meinen beiden tagtäglich mit allergrößter Freude beim rennen zu, auch wenn mir regelmäßig fast das Herz stehen bleibt. Sie haben Spass und das täglich auch ohne Jagd, Rennen etc. Nebenbei dürfen sie noch ein wenig im Agilityparcour mit Freude arbeiten, obwohl das ja überhaupt nicht der ursprünglichen Rasseverwendung entspricht. Aber Scheiss drauf – wir haben Spass dabei!