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Der Blick aus dem obersten Stockwerk der Phrix Papierfabrik ist atemberaubend. Die Luft ist klar und eiskalt. Unter mir fließt der Main. Direkt vor meinen Füßen klafft ein großes Loch im Boden, durch das ich bis nach unten auf einen leuchtend orangen Container sehen kann. Festhalten!
Scherbenregen und morsche Stufen
Die Hausmeisterin von Phrix bewegt sich mit der traumwandlerischen Sicherheit einer Gämse: Vorsicht, über diese Treppe nur auf der rechten Seite gehen. Dort bitte nicht, da stürzt die Decke ein. Sie kennt jede morsche Stufe, jedes marode Geländer, jede Fußangel. Im Frost der vergangenen zwei Wochen sind ein paar der letzten großen Scheiben geborsten und in einem Scherbenregen vor dem Gebäude auf den Asphalt geschlagen. Ich verstehe nun, warum das Gelände hermetisch abgeriegelt und bis in die letzte Ecke videoüberwacht ist. Zum Glück ist die nette Dame bei mir!
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Manche Räume kann ich mir nur ertasten. Sie sind stockfinster und vollgestopft mit undefinierbaren Maschinen, Säcken, Holz, Schrott, alten Möbeln. In den nächsten liegen Schuhe, Seifenstücke und Unmengen von Krams jeder erdenklichen Art vollkommen unberührt, als hätte man sie auf einer Flucht einfach aufgegeben.
Helle Fluchten für mein Sofa
Dann wiederum öffnen sich unendliche, helle Fluchten, die bereits leer geräumt sind. Durch die Fenster schießt das Licht und ich kann mir plötzlich sehr gut vorstellen, genau dort mein Sofa zu in Position zu rücken. Dass eine dieser Etagen locker 2000 Quadratmeter hat, fällt mir ohne den üblichen Größenvergleich gar nicht auf.
Schluss mit Phrix seit 46 Jahren
Seit Anfang der 70er Jahre wird hier keine Cellulose mehr hergestellt. Nach Phrix wurde dicht gemacht (ein sehr schöner Spiegel-Artikel von 1970), alle Arbeiter entlassen. Seitdem ist das monströse Gelände mehr oder weniger sich selbst überlassen. In den vergangenen Jahren gab es ein paar wenige Konzepte zur Umnutzung, denn seine Lage direkt am Main und seine Nähe zu Frankfurt sind offensichtlich attraktiv. Doch Zustand und Größe des denkmalgeschützten Objektes sind wohl prädestiniert dafür, sich einen finanziellen Bruch zu heben.
Dennoch, so wie Phrix jetzt ist, war es die längste Zeit. Die Prinz von Preussen Grundbesitz AG, erfahren in Großprojekten dieser Art, hat das Gelände gekauft und ein weiteres Schwergewicht ins Boot geholt. Sie wird rund 100 Millionen Euro in den denkmalgerechten Umbau investieren. 200 Wohnung sollen entstehen. Im Sommer 2017 geht es los.
Der Atem der Vergangenheit für die Zukunft?
Nun weiß ich nicht mehr, was ich denken soll. Einerseits bin ich froh, dass ich den verrückten, maroden und total chaotischen Charme dieser Anlage dokumentieren darf. Andererseits wünschte ich mir, dass er bliebe, dieser Charme. Doch hunderte Lastwagenladungen werden schon bald all die spannende Vergangenheit fortschaffen. Die Schuhe, die Seife, die bizarren Maschinen, das Papier. Ich hoffe, dass die in das Projekt involvierten Architekten ein kleines bisschen dieser Luft atmen und sie in ihren Entwürfen für die Zukunft erhalten werden.
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edit: Alle diese Fotos und noch viele mehr habe ich mit Canon EOS 5Ds und dem Canon EF 24mm 1:1,4L II USM gemacht. Diese Kamera – obwohl sie eigentlich für mich eher untypisch ist – entwickelt sich so langsam aber sicher zu meiner großen Liebe.
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1 Comment
War gestern (21.8.2021) zufällig bei einer Radtour vorbei gekommen. Beim Vorbeifahren sah ich diese Anlage und musste umdrehen. Machte viele Fotos mit dem Handy und dachte mir was hier wohl früher war. Vielen Dank für die tollen Bilder und Einblicke! Ich kann die Faszination voll und ganz verstehen die von dieser Anlage ausgehen.