The Daily Irrsinn

Rentnerbeige mit spitzen Schuhen

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In meiner Nachbarschaft gibt es ganz furchtbar nette alte Damen und Herren, mit denen sich ein kleines Pläuschchen immer lohnt. Und wenn es nur für die Seele ist. Denn sie sind sanft, aufgeschlossen, gebildet und lieben meine Hunde. Ihnen gegenüber steht ein Meer in Rentnerbeige, das so gar nichts von diesen liebenswerten Herrschaften hat, sondern in die Gruppe der verhärmten Kommunikationskrüppel fällt. Sie kommen dann in Rentnerbeige mit spitzen Schuhen.

Beeindruckend jung

Hier um die Ecke lebt eine alte Dame. Sie muss um die achtzig Jahre alt sein. An einer Straßenecke sprach sie mich auf Mono und Hudson an und wir blieben mindestens zwanzig Minuten genau dort stehen, wo wir uns getroffen hatten. Seit ein paar Jahren zurück aus den USA genießt die promovierte Chemikerin nun ihren Ruhestand im Ruhrgebiet. In Chucks, Ziegenlederjacke und Jeans stand sie vor mir als wäre sie gerade mal dreißig Jahre alt. Ich war beeindruckt und begeistert von dieser Frau, die keinen Hehl aus ihrem Alter machte, aber dennoch viel jünger wirkte als ein Großteil ihrer Altersklasse. Aber das nur nebenbei. So oft wir uns treffen, reden wir.

Rentnerbeige mit spitzen Schuhen
Fahrräder und Hunde sind offenbar die ultimative Bedrohung für Rentnerrudel beim Sonntagsspaziergang.
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Welten liegen zwischen dieser Dame und den oben erwähnten Senioren, die Kommunikation entweder nie gelernt oder schon lange wieder verlernt haben. Das sind Menschen, die erst gar nicht auf die Idee kommen, mal kurz fünfzig Zentimeter auszuweichen und dann im Vorbeigehen nach Mono schlagen. Mono? Ich weiß noch, ich musste mich selber festhalten, um nicht ausfallend zu werden. Was reitet solche Leute? Wie kommen sie durchs Leben?

Der nahe Tod stellt keinen Freibrief aus

„Nehmse ma die scheiß Köter anne Seite!“ Und das auf einem Weg, auf dem zwei Sattelschlepper Platz hätten. Lockerheit oder Verständnis scheinen unbekannte Größen zu sein. Dabei ist es mir vollkommen egal, ob diese Leute in ihrem Leben schlechte Erfahrungen mit Hunden hatten, unter einer Tierhaarallergie leiden oder grundsätzlich jeden Menschen hassen, der mit ihnen diesen Planeten bewohnt. Alter schützt nicht vor Rücksichtnahme und der vermeintlich nahe Tod stellt keinen Freibrief für Unverschämtheit und schlechtes Benehmen aus.

Mit einer Tüte bewaffnet klaube ich gerade Hupsis Haufen aus einem Beet. „Ja, das machen sie jetzt aber mal schön weg. Immer diese Biester, die alles voll scheißen! Ich hole die Polizei.“ Wieder eine rentnerbeige Steppweste, dachte ich. Mittlerweile reagiere ich auf diese Art Dampflaberei gar nicht mehr, aber manchmal platzt mir der Kragen. „Was, glauben sie, tue ich hier gerade?“ „Das ist auch das Mindeste?“ „Das Mindeste von was? Ich verstehe nicht, was sie mir sagen wollen.“ Eins zu Null für mich. Die beige Steppweste drehte ab, totterte aber noch lange vor sich hin.

Rentnerbeige mit spitzen Schuhen
Hupsi ist so ein lieber Zeitgenosse. Niemals würde ich zulassen, dass ihm jemand weh tut.

Soziophobe Giftspritzen in Hansaplast-Braun

Ja, ich weiß! Manche alten Leute sind in ihrem Körper und vor allem in ihrem Geist gefangen. Vielleicht sind sie krank, dement, emotional oder sonst wie eingeschränkt. Dennoch, wer von mir Höflichkeit erwartet, hat sie ebenso zu leisten. Zudem gibt es genug, ich nenne sie respektvoll Senioren, die im Kopf jünger als manch Vierzigjähriger und ebenso kontaktfreudig sind. Also, woran liegt es, dass viele alte Menschen so verbittert und manchmal sogar richtig böse sind, insbesondere dann, wenn sie Hunden begegnen? Was macht sie zu soziophoben Giftspritzen?

Ja, von denen gibt es hier viele.

Meine beiden Whippets stellen für niemanden eine Bedrohung da. Sie belästigen niemanden (Hupsi nur manchmal ein ganz kleines bisschen aus purer Neugier), sie bellen nur sehr selten, sie schmutzen nicht und wenn, dann im Auto oder Zuhause. Wo ist also das Problem? Nie werde ich vergessen, wie an einer französischen Autobahnraststätte eine ältere Frau, anstelle einen Schritt zur Seite zu gehen, ihren spitzen Schuh in Dannys Flanke rammte. Ich war außer mir vor Wut. Wir können uns schließlich nicht in Luft auflösen.

Wellensittiche bellen nicht

Haben Menschen jenseits der Siebzig noch ein anderes Verhältnis zu Tieren, als wir, also die etwa Dreißig- bis Fünfzigjährigen. Oder richtet sich ihre Missachtung nur gegen Tiere, die ihnen fremd sind. Ihre Wellensittiche haben sie schließlich lieb. Aber die bellen ja auch nicht. Dafür machen sie anderen Krach, den wiederum ich nur schwer ertragen kann.

Rentnerbeige mit spitzen Schuhen
Rücksichtnahme ist wichtig, aber auch wir haben eine Daseinsberechtigung. Ich muss also ganz sicher nicht in jeder Situation zurückstecken.

Ich würde niemals behaupten, dass Menschen sich nicht ändern können, aber die Regel sagt: Wer mit vierzig Jahren ein Arschloch ist, wird es auch noch mit achtzig sein. Aber dem Achtzigjährigen muss man das verzeihen, weil er alt ist? Wenn ein alter Herr in einen Bus steigt und im Vorbeigehen Jungendliche mit seinem Stock schlägt, weil er einen Sitzplatz haben will, dann benimmt er sich weder angemessen noch altersgemäß. Er benimmt sich einfach schlecht und hat damit jedes Recht auf einen Sitzplatz verwirkt. Ein nette Frage hingegen hätte jeden einigermaßen gut erzogenen Teenie dazu bewegt, aufzustehen.

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Hormonblasen und Kindheitsaufarbeitung

Alte Menschen haben selbstverständlich die gleichen Rechte wie junge. Doch das Alter ist keine Entschuldigung. Und schon gar nicht, wenn sie meine Hunde schlagen oder treten wollen. Mag ja sein, dass ihnen früher das gleiche widerfahren ist, aber die Wut auf seine eigene Geschichte lässt man nicht an Unschuldigen aus. Um die Waage zu finden, dahergelaufen Halbwüchsige, die aus heiterem Himmel drohen, meine Hunde abzustechen, sind keinen Deut besser. Letztere könnten ihr hirnrissiges Verhalten mit dem Hormonchaos in ihrem Kopf entschuldigen: „Sorry, ich bin gerade Pubertät!“ Tun sie aber nicht. „Sorry ich bin alt. Deshalb darf ich ihren Hund treten und ihnen im Supermarkt fünf mal mit der Einkaufskarre in die Hacken fahren?“ Nein. Ich bin sehr geduldig und verständnisvoll, aber das dürfen sie nicht. Egal wie alt sie sind.

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Freie Autorin mit einem starken Hang zur Fotografie

2 Comments

  1. Es gab mal eine Zeit, da wollte ich in die Großstadt (Köln) ziehen. Heute bin ich mehr als froh, dass das niemals passiert ist. Das Leben auf dem Land empfinde ich als deutlich entspannter. Das soll nicht heißen, dass es bei uns nicht auch den einen oder anderen verhaltensauffälligen Deppen gibt. Vorfälle der beschriebenen Art kann ich aber pro Jahr an einer Hand abzählen. Wir treffen uns hier auch jedes Wochenende zum gemeinsamen Spaziergang. Nicht selten sind wir dann mit bis zu 15 bis 20 Hunden unterwegs und haben damit keinerlei Probleme. Überall wo wir auftauchen (auch in Gaststätten wo wir unterwegs Pause machen), stehen wir natürlich sofort im Mittelpunkt. Aber immer positiv. Eigentlich bin ich selber auch immer ein wenig überrascht wie problemfrei das bei uns hier abläuft. Vielleicht ist es auch nur Zufall, vielleicht ist es aber auch einfach anders auf dem Land. Ich hoffe auf jeden Fall, dass es so bleibt.
    LG Wolfhart

  2. Wolfhart,
    ich glaube, du musst einfach Glück mit der Kombination haben. Egal ob Stadt oder Land Ich ernte auch hauptsächlich Wohlwollen und Begeisterung, aber mache Leute gehen mir wirklich auf den Pin. 😉

    Entspannte Grüße

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