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Das Sommerhaus meiner Familie liegt im Südwesten der französischen Vendeé. Vor rund zwanzig Jahren erstanden meine Eltern dieses kleine Herrenhaus spontan und in einem offiziell renovierten, aber objektiv betrachtet katastrophalen Zustand. Sie, und ich auch, hatten sich in die sensationelle Lage und seine klare Architektur Hals über Kopf verliebt. Heute ist es ein Paradies. Allerdings eines mit einer recht gruseligen Geschichte.
Die Hexe im Kamin
Vor langer Zeit wohnte hier nämlich eine Hexe. La Sorcière! Ein zahmer Fuchs wich nicht von ihrer Seite und alle – so erinnern sich die Alten des Dorfes an die Erzählungen ihrer Großeltern – hatten furchtbare Angst vor ihr. In manchen Nächten stiegen leuchtende Kugeln aus den Kaminen und tauchten die Felder weithin in ein blaues Licht. Geht dort nicht hin, mahnten damals die Eltern ihre Kinder.
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Die vermeintliche Hexe war vermutlich nur eine alleinstehende Dame, die nicht ganz in das bäuerliche Bild der Zeit passte. Doch hin und wieder passieren hier Dinge, die auch uns ins Grübeln bringen. Über Nacht leeren sich randvolle Grünschnittsäcke selbstständig und komplett. Die Rehe verlassen wohl im Schutze der Dunkelheit ihr Wäldchen und freuen sich über das mundgerechte Büffet. Das ist zumindest meine Theorie. Gegenstände verschwinden für Monate und tauchen dann plötzlich wieder auf. Ohne auch nur einen Krümel Asche zu hinterlassen, entmaterialisiert sich erkaltete Kohle aus einem Grill. Weg, futsch, unauffindbar. Außerdem wohnen im Gebälk sehr anhängliche Fledermäuse.
Die mumifizierte Eule! Ein Zeichen der Grande Dame?
Jedes größere Haus auf dem französischen Land hat einen Namen. Unser Anwesen heißt La Chouépière. La Chouette ist die Eule. Wir vermuten also, dass La Chouépière Eulenstein (la pierre allerdings mit zwei r – der Stein) oder vielleicht auch Steinkauz bedeuten könnte. Genau ist das aber nicht herauszukriegen. Nun begab es sich vor einigen Jahren, dass wir alle zusammen dort zwei Frühlingswochen verbrachten. In der Belle Etage, im ersten Stock, gibt es einen sehr großen Raum, in dem wir und die Hunde uns auszubreiten und zu schlafen pflegen. Vor unserer Abreise mussten wir natürlich putzen, die Betten abziehen und das Haus für den Sommer vorbereiten.
Mit dem Besen bewaffnet zog ich also unser Bett von der Wand. Ich fand Staub, Sand von unserem Lieblingsstrand, ein paar tote Fliegen, eine Eidechse, die wohl mal wieder auf Monos Konto ging und eine bis in jedes Detail und jede Feder erhaltenen Eule. Sie lag dort wie ausgestopft. Himmel, ich habe keine Ahnung warum ich keine Fotos gemacht habe (vermutlich hatte ich das komplette Equipment schon reisefertig gemacht). Zwei Wochen hatten wir und die beiden Whippets in diesem Bett geschlafen und noch nicht einmal die Hundenasen haben irgendetwas wahrgenommen. Die Eule war mumifiziert, ausgetrocknet und vollkommen geruchsfrei. Aber die Hunde hätten sie doch finden müssen? Sie finden doch sonst alles!
Diese Eule wird sich im Herbst ins Haus verirrt haben und dann eingeschlossen worden sein, dachte ich mir. Sie wird verdurstet sein, dachte ich mir. Warum hat sie niemand bemerkt? Eine große Eule versteckt sich nicht so leicht in diesem Haus. Warum ist es ausgerechnet eine Eule in einem Haus das vermutlich Eulenstein heißt? Das Vermächtnis der Hexe?
In unserem Park gibt es einen Uhu, der gerne unter unserem Terrassendach sitzt und uns deshalb rhythmisch die Terracottafliesen vollkackt. Es gibt große Greifvögel, jede Menge Spatzen und ein Eichelhäher-Pärchen. Warum schickt uns die Hexe ausgerechnet eine Eule? Was will sie uns sagen?
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Ich gebe zu, die letzten sechs Tage verbrachten wir ohne dubiose Vorfälle. Aber wer weiß, was noch kommen wird?
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